Posteriore

Sie sieht mich gar nicht an.Warum sieht sie mich nicht an? Wer ist sie überhaupt?

Mein Blick wandert über die zarten Linien ihrer Schultern, während ich versuche mir ihren Lippenstift vorzustellen.
Ich entscheide mich für einen dezenteren Ton und male mir die Züge ihres Charakters aus. Bestimmt lächelt sie gerade. Wahrscheinlich das bezauberndste Lächeln der Welt.

Sie lächelt doch, oder? Ist sie nicht glücklich?

So gerne würde ich ihre Geschichte im leuchtenden Blau ihrer Augen ablesen, stattdessen verliere ich mich sehnsüchtig in den feinen Details ihres Hinterkopfes. Ich spüre den Wind, der ihr Haar bewegt, sanft auf der Haut und vernehme den Duft ihres Parfums für einen kurzen Moment.

Was sie wohl denkt? Was sie wohl fürchtet?

So viel ich auch gebe, es bleibt mir verschwiegen, genau wie ihr Name.
Doch irgendwie weiß ich all diese Dinge, so fremd es auch klingt. Ich weiß all das schon längst und warte nur noch darauf, dass sie sich umdreht um es mir zu erzählen…

Der Betrachter sieht eine Frau von hinten, ihr Gesicht bleibt ihm verwehrt. Losgelöst von oberflächlicher Schönheit und ausdrucksstarker Mimik ist es an ihm selbst, die Gedanken und Gefühle dieser Person für sich zu ergründen. Jedes Bild trägt einen eigenen Moment in sich, den es nur nicht offensichtlich darstellt. Eine eigene Geschichte, die es nur nicht selbst erzählt.

Julius André